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Tscher­no­byl und die Fol­gen: Sind Pilze und Wild noch be­las­tet?

Vor 39 Jah­ren ist im Atom­kraft­werk Tscher­no­byl ein Re­ak­tor ex­plo­diert. Nach der Nu­kle­ar­ka­ta­stro­phe ver­teil­ten sich Wol­ken mit ra­dio­ak­ti­ven Stof­fen zu­nächst über weite Teile Eu­ro­pas, spä­ter über die ge­sam­te nörd­li­che Halb­ku­gel. Nach An­ga­ben des Bun­des­am­tes für Strah­len­schutz (BfS) reg­ne­te ein Teil der ra­dio­ak­ti­ven Stof­fe auch in Deutsch­land nie­der. In der Re­gi­on Mag­de­burg wurde nach An­ga­ben des da­ma­li­gen Bezirks-​Hygieneinstituts un­mit­tel­bar nach der Ka­ta­stro­phe eine 100- bis 500-mal hö­he­re Ra­dio­ak­ti­vi­tät in der Luft ge­mes­sen. Doch was ist von der ra­dio­ak­ti­ven Be­las­tung ge­blie­ben? Dazu die fol­gen­den Fra­gen und Ant­wor­ten:

Wel­che Re­gio­nen in Deutsch­land waren 1986 von ra­dio­ak­ti­ven Nie­der­schlä­gen be­trof­fen?

Auf­grund von hef­ti­gen lo­ka­len Nie­der­schlä­gen war der Süden Deutsch­lands deut­lich höher be­las­tet als der Nor­den. So kam es im Baye­ri­schen Wald und süd­lich der Donau zu lo­ka­len Ab­la­ge­run­gen von bis zu 100.000 Bec­que­rel (Bq) Cä­si­um pro Qua­drat­me­ter. In der nord­deut­schen Tief­ebe­ne be­trug die Ak­ti­vi­täts­ab­la­ge­rung die­ses Ra­dio­nu­klids etwa 4.000 Bq pro Qua­drat­me­ter.

Auf­grund schwe­rer Ge­wit­ter in der Nacht vom 5. zum 6. Mai 1986 reg­ne­ten auch in Mag­de­burg ra­dio­ak­ti­ve Stäu­be, Dämp­fe und Ae­ro­so­le aus der At­mo­sphä­re auf den Boden ab. Laut dem da­ma­li­gen Bezirks-​Hygieneinstitut wur­den im Re­gen­was­ser ein zeit­wei­ser An­stieg der Ra­dio­ak­ti­vi­tät auf bis zu 44.000 Bq pro Liter, in Wie­sen­kräu­tern bis 76.000 Bq pro Ki­lo­gramm und in Gar­ten­er­de bis 40.000 Bq pro Ki­lo­gramm ge­mes­sen. Es han­del­te sich um einen An­stieg der Strah­len­be­las­tung auf das Hundert-​ bis Tau­send­fa­che ge­gen­über der na­tür­li­chen Hin­ter­grund­be­las­tung.

Neben Cä­si­um (Cs-137 und Cs-134) mit einer Halb­werts­zeit von 30 Jah­ren stand bei den Mes­sun­gen auch Jod (I-131) mit einer Halb­werts­zeit von 8,02 Tage im Fokus.

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Be­stehen auch heute noch Strah­len­be­las­tun­gen, die auf die Tschernobyl-​Katastrophe zu­rück­ge­hen?

Heute spielt in Mit­tel­eu­ro­pa prak­tisch nur noch das lang­le­bi­ge Cä­si­um Cs-137 eine Rolle. Die­ses Ra­dio­nu­klid ist auf Grund sei­ner Halb­werts­zeit von etwa 30 Jah­ren seit 1986 bis heute nur zu etwa der Hälf­te zer­fal­len.

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Wo wird eine er­höh­te Strah­len­be­las­tung heute noch ge­mes­sen?

Nach An­ga­ben des Bun­des­am­tes für Strah­len­schutz (BfS) sind in ei­ni­gen Ge­gen­den Deutsch­lands ins­be­son­de­re be­stimm­te Pilz- und Wild­ar­ten noch immer mit Cäsium-​137 be­las­tet. Der Süden Deutsch­lands – vor allem Süd­bay­ern und der Baye­ri­sche Wald – ist vom Tschernobyl-​Fallout be­son­ders be­trof­fen. Aber auch in Sachsen-​Anhalt hat die Re­gi­on um Schol­le­ne an der Lan­des­gren­ze zu Bran­den­burg eine hö­he­re Be­las­tung als im üb­ri­gen Nor­den Deutsch­lands.

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Kann man Pilze und Wild­fleisch heute be­den­ken­los im Han­del kau­fen und essen?

In Deutsch­land ist es nicht er­laubt, Le­bens­mit­tel mit einem Cä­si­um­ge­halt von mehr als 600 Bec­que­rel pro Ki­lo­gramm in den Han­del zu brin­gen. Le­bens­mit­tel un­ter­lie­gen daher einer um­fang­rei­chen Un­ter­su­chung. Wer ess­ba­re Wild­pil­ze mag, kann diese also wei­ter­hin mit Ge­nuss ver­zeh­ren. Nach Deutsch­land ein­ge­führ­te Wild­pil­ze un­ter­lie­gen be­züg­lich der Cäsium-​Radioaktivität einer Ein­fuhr­kon­trol­le. Die im Han­del an­ge­bo­te­nen Pfif­fer­lin­ge stam­men meist aus Ge­bie­ten ohne ra­dio­ak­ti­ve Be­las­tung.

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Kann man Pilze heute be­den­ken­los sam­meln?

Selbst ge­sam­mel­te Pilze wer­den in der Regel vor dem Ver­zehr nicht ge­mes­sen. Das deut­sche Strah­len­schutz­recht hält die Auf­nah­me einer ef­fek­ti­ven Dosis von einem Mil­li­sie­vert im Jahr für un­be­denk­lich (§ 80 Ab­satz 1 Strah­len­schutz­ge­setz). Dies ent­spricht der Auf­nah­me von ca. 80.000 Bec­que­rel Cäsium-​137. Ei­ge­ne Cäsium-​Messungen des Lan­des­am­tes für Um­welt­schutz im Be­reich um Schol­le­ne zwi­schen 2010 und 2021 er­ga­ben bei Ma­ro­nen Werte von 1741 Bec­que­rel pro Ki­lo­gramm in 2011 bis 591 Bec­que­rel pro Ki­lo­gramm in 2021. Auch wenn die Mes­sun­gen nicht flä­chen­de­ckend sind, steht einem Ver­zehr der selbst ge­sam­mel­ten Pilze - zu­min­dest aus ra­dio­lo­gi­scher Sicht - nichts ent­ge­gen. Wer je­doch seine per­sön­li­che Be­las­tung ge­ring­hal­ten möch­te, soll­te auf über­mä­ßi­gen Ge­nuss ver­zich­ten.

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Wie stark ist Wild be­las­tet?

Wild­bret ist laut BfS (Quel­le wie oben) je nach Re­gi­on und Tier­art sehr un­ter­schied­lich be­las­tet. In den stär­ker be­las­te­ten Ge­bie­ten in Bay­ern wer­den bei Wild­schwei­nen noch heute ver­ein­zelt Werte ge­mes­sen, die den Grenz­wert für die Ver­mark­tung von 600 Bec­que­rel pro Ki­lo­gramm um mehr als das Zehn­fa­che über­schrei­ten. Die Spit­zen­wer­te lagen im Baye­ri­schen Wald bei rund 17.000 Bec­que­rel Cäsium-​137 pro Ki­lo­gramm. Die im Rah­men des bun­des­wei­ten Mess­pro­gramms IMIS (In­te­grier­tes Mess- und In­for­ma­ti­ons­sys­tem) er­ho­be­nen Daten er­reich­ten in den Jah­ren 2018 bis 2020 für Haar­wild Werte von bis zu rund 1.600 Bec­que­rel pro Ki­lo­gramm. Spit­zen­rei­ter waren Wild­schwei­ne, ge­folgt von Reh­wild und Hir­schen.

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Ist der Wild­ver­zehr in Sachsen-​Anhalt be­denk­lich?

Für Sachsen-​Anhalt be­stehen beim Wild­ver­zehr – wie­der­um aus ra­dio­lo­gi­scher Sicht - keine Ein­schrän­kun­gen. Ei­ge­ne Mess­wer­te des Lan­des­am­tes für Um­welt­schutz lie­gen al­le­samt weit unter der Gren­ze von 600 Bec­que­rel je Ki­lo­gramm.

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Warum ist Wild­fleisch stär­ker kon­ta­mi­niert als das Fleisch an­de­rer Tier­ar­ten?

Die star­ken Un­ter­schie­de zwi­schen den Wild­fleisch­sor­ten be­ru­hen im We­sent­li­chen auf dem Er­näh­rungs­ver­hal­ten der je­wei­li­gen Tier­ar­ten. Da die von Wild­schwei­nen ge­fres­se­nen, un­ter­ir­disch wach­sen­den Hirsch­trüf­fel au­ßer­ge­wöhn­lich hoch be­las­tet sind (die Werte lie­gen hier um mehr als das Zehn­fa­che über den Wer­ten von Spei­se­pil­zen), ist Wild­schwein­fleisch deut­lich höher kon­ta­mi­niert als das Fleisch an­de­rer Wild­tier­ar­ten.

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Wo gibt es wei­ter­füh­ren­de In­for­ma­tio­nen zur Tschernobyl-​Katastrophe und den Fol­gen?

Zur ra­dio­ak­ti­ven Be­las­tung von Pil­zen und Wild­bret bie­tet das Bun­des­amt für Strah­len­schutz (BfS) wei­ter­füh­ren­de In­for­ma­tio­nen.

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