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Tschernobyl und die Folgen: Sind Pilze und Wild noch belastet?

Vor 36 Jahren ist im Atomkraftwerk Tschernobyl ein Reaktor explodiert. Nach der Nuklearkatastrophe verteilten sich Wolken mit radioaktiven Stoffen zunächst über weite Teile Europas, später über die gesamte nördliche Halbkugel. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) regnete ein Teil der radioaktiven Stoffe auch in Deutschland nieder. In der Region Magdeburg wurde nach Angaben des damaligen Bezirks-Hygieneinstituts unmittelbar nach der Katastrophe eine 100- bis 500-mal höhere Radioaktivität in der Luft gemessen. Doch was ist von der radioaktiven Belastung geblieben? Dazu die folgenden Fragen und Antworten:

Welche Regionen in Deutschland waren 1986 von radioaktiven Niederschlägen betroffen?

Aufgrund von heftigen lokalen Niederschlägen war der Süden Deutschlands deutlich höher belastet als der Norden. So kam es im Bayerischen Wald und südlich der Donau zu lokalen Ablagerungen von bis zu 100.000 Becquerel (Bq) Cäsium pro Quadratmeter. In der norddeutschen Tiefebene betrug die Aktivitätsablagerung dieses Radionuklids etwa 4.000 Bq pro Quadratmeter.

Aufgrund schwerer Gewitter in der Nacht vom 5. zum 6. Mai 1986 regneten auch in Magdeburg radioaktive Stäube, Dämpfe und Aerosole aus der Atmosphäre auf den Boden ab. Laut dem damaligen Bezirks-Hygieneinstitut wurden im Regenwasser ein zeitweiser Anstieg der Radioaktivität auf bis zu 44.000 Bq pro Liter, in Wiesenkräutern bis 76.000 Bq pro Kilogramm und in Gartenerde bis 40.000 Bq pro Kilogramm gemessen. Es handelte sich um einen Anstieg der Strahlenbelastung auf das Hundert- bis Tausendfache gegenüber der natürlichen Hintergrundbelastung.

Neben Cäsium (Cs-137 und Cs-134) mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren stand bei den Messungen auch Jod (I-131) mit einer Halbwertszeit von 8,02 Tage im Fokus.

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Bestehen auch heute noch Strahlenbelastungen, die auf die Tschernobyl-Katastrophe zurückgehen?

Heute spielt in Mitteleuropa praktisch nur noch das langlebige Cäsium Cs-137 eine Rolle. Dieses Radionuklid ist auf Grund seiner Halbwertszeit von etwa 30 Jahren seit 1986 bis heute nur zu etwa der Hälfte zerfallen.

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Wo wird eine erhöhte Strahlenbelastung heute noch gemessen?

Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sind in einigen Gegenden Deutschlands insbesondere bestimmte Pilz- und Wildarten noch immer mit Cäsium-137 belastet. Der Süden Deutschlands – vor allem Südbayern und der Bayerische Wald – ist vom Tschernobyl-Fallout besonders betroffen. Aber auch in Sachsen-Anhalt hat die Region um Schollene an der Landesgrenze zu Brandenburg eine höhere Belastung als im übrigen Norden Deutschlands.

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Kann man Pilze und Wildfleisch heute bedenkenlos im Handel kaufen und essen?

In Deutschland ist es nicht erlaubt, Lebensmittel mit einem Cäsiumgehalt von mehr als 600 Becquerel pro Kilogramm in den Handel zu bringen. Lebensmittel unterliegen daher einer umfangreichen Untersuchung. Wer essbare Wildpilze mag, kann diese also weiterhin mit Genuss verzehren. Nach Deutschland eingeführte Wildpilze unterliegen bezüglich der Cäsium-Radioaktivität einer Einfuhrkontrolle. Die im Handel angebotenen Pfifferlinge stammen meist aus Gebieten ohne radioaktive Belastung.

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Kann man Pilze heute bedenkenlos sammeln?

Selbst gesammelte Pilze werden in der Regel vor dem Verzehr nicht gemessen. Das deutsche Strahlenschutzrecht hält die Aufnahme einer effektiven Dosis von einem Millisievert im Jahr für unbedenklich (§ 80 Absatz 1 Strahlenschutzgesetz). Dies entspricht der Aufnahme von ca. 80.000 Becquerel Cäsium-137. Eigene Cäsium-Messungen des Landesamtes für Umweltschutz im Bereich um Schollene zwischen 2010 und 2021 ergaben bei Maronen Werte von 1741 Becquerel pro Kilogramm in 2011 bis 591 Becquerel pro Kilogramm in 2021. Auch wenn die Messungen nicht flächendeckend sind, steht einem Verzehr der selbst gesammelten Pilze - zumindest aus radiologischer Sicht - nichts entgegen. Wer jedoch seine persönliche Belastung geringhalten möchte, sollte auf übermäßigen Genuss verzichten.

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Wie stark ist Wild belastet?

Wildbret ist laut BfS (Quelle wie oben) je nach Region und Tierart sehr unterschiedlich belastet. In den stärker belasteten Gebieten in Bayern werden bei Wildschweinen noch heute vereinzelt Werte gemessen, die den Grenzwert für die Vermarktung von 600 Becquerel pro Kilogramm um mehr als das Zehnfache überschreiten. Die Spitzenwerte lagen im Bayerischen Wald bei rund 17.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm. Die im Rahmen des bundesweiten Messprogramms IMIS (Integriertes Mess- und Informationssystem) erhobenen Daten erreichten in den Jahren 2018 bis 2020 für Haarwild Werte von bis zu rund 1.600 Becquerel pro Kilogramm. Spitzenreiter waren Wildschweine, gefolgt von Rehwild und Hirschen.

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Ist der Wildverzehr in Sachsen-Anhalt bedenklich?

Für Sachsen-Anhalt bestehen beim Wildverzehr – wiederum aus radiologischer Sicht - keine Einschränkungen. Eigene Messwerte des Landesamtes für Umweltschutz liegen allesamt weit unter der Grenze von 600 Becquerel je Kilogramm.

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Warum ist Wildfleisch stärker kontaminiert als das Fleisch anderer Tierarten?

Die starken Unterschiede zwischen den Wildfleischsorten beruhen im Wesentlichen auf dem Ernährungsverhalten der jeweiligen Tierarten. Da die von Wildschweinen gefressenen, unterirdisch wachsenden Hirschtrüffel außergewöhnlich hoch belastet sind (die Werte liegen hier um mehr als das Zehnfache über den Werten von Speisepilzen), ist Wildschweinfleisch deutlich höher kontaminiert als das Fleisch anderer Wildtierarten.

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Wo gibt es weiterführende Informationen zur Tschernobyl-Katastrophe und den Folgen?

Zur radioaktiven Belastung von Pilzen und Wildbret bietet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weiterführende Informationen.

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