Bierdeckel gegen Klima-Mythen
Mythos 1: „Der Klimawandel kann doch einfach mit Technologie aufgehalten werden!“
Es gibt eine Reihe von Ideen, um technologisch ins Klimasystem der Erde einzugreifen: Spiegel im All könnten das Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektieren, durch Eisensulfat im Meer würde CO2 gespeichert. Damit verbunden wäre jedoch eine Vielzahl von Problemen: Die Kosten wären immens. Zudem müssten Maßnahmen, die das Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektieren, permanent aufrechterhalten werden, um einen dauerhaften Effekt zu haben. Hinzu kommen mögliche Nebenwirkungen auf Klima und Ökosysteme, etwa die Verschiebung von Niederschlagsmustern. Ein aktiver Eingriff dieser Art wäre daher auch völkerrechtlich bedenklich. Das Fazit: Die bisher bekannten Ideen sind teuer und riskant – und damit als Lösung für das Klimaproblem nicht sinnvoll.
Doch Technologie hilft bereits jetzt beim Klimaschutz – und wird dies auch in Zukunft tun. Technische Innovationen werden Windenergie- und Photovoltaikanlagen effizienter machen, das Recycling verbessern oder CO2 binden, um ihn als Rohstoff zu nutzen oder dauerhaft zu speichern. Doch Technologie allein wird den Klimawandel nicht aufhalten. Es braucht auch ein bewussteres Konsumverhalten oder stärkeren Naturschutz mit Blick auf Wälder und Moore, die bedeutende natürliche CO2-Speicher sind.
Mythos 2: „Klimaschutz bedeutet nur Verzicht, Verbot und Einschränkung!“
CO2-Emissionen zu vermeiden, bedeutet nicht zwangsläufig Verzicht und Verbote. Es gibt viele Beispiele, wie wir künftig klimafreundlich leben können, ohne uns einschränken zu müssen. Moderne Elektrofahrzeuge, attraktive Angebote im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie eine gute Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer sind nur einige davon. Es gibt aber viel mehr. Beispiel Industrie: Wir werden auch in Zukunft Glas, Stahl und weitere energieintensive Produkte herstellen – mit Hilfe von grünem Wasserstoff und erneuerbaren Energien. Mehr Klimaschutz bietet auch der Wirtschaft Chancen: Neue klimaneutrale Produkte und Geschäftsmodelle werden verstärkt nachgefragt und bieten Entwicklungsperspektiven. Beispiel Wohnen: Wer sein Haus effektiv dämmt, Strom mit Photovoltaikanlagen erzeugt und mit Wärmepumpen heizt, schont nicht nur das Klima, sondern spart langfristig auch Geld. Wir müssen uns zudem vor Augen führen: Wenn wir weiter ungebremst CO2 in die Luft blasen, mindern wir die Lebensqualität unserer Kinder und Kindeskinder. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht den Staat dazu verpflichtet, Klimaschutz zu betreiben.
Mythos 3: „Deutschland allein kann im Klimaschutz gar nichts erreichen!“
Auch wenn der deutsche Treibhausgas-Ausstoß 2021 nur rund zwei Prozent der weltweiten Emissionen ausmacht, stehen wir damit im Ranking der Verursacherstaaten immerhin auf Platz sieben. Betrachtet man die Emissionen (ohne Landnutzungsänderungen) seit der industriellen Revolution, rangiert Deutschland hinter den deutlich größeren Ländern USA, China, und Russland sogar an vierter Stelle.
Beim unmittelbaren Treibhausgas-Ausstoß pro Einwohner lag Deutschland 2021 mit etwa acht Tonnen etwa gleichauf mit China, aber deutlich hinter den USA (14 bis 15 t) und Russland (12 bis 14 t). Bezieht man dabei jedoch den Konsum der Bewohner mit ein, der in anderen Ländern die CO2-Emissionen steigen lässt, ergibt sich ein anderes Bild: Dann rangiert Deutschland mit etwa 9 Tonnen pro Einwohner beispielsweise deutlich vor China mit etwa 7 Tonnen.
Fazit: Als wohlhabendes Land mit historisch wie aktuell hohen Treibhausgas-Emissionen hat Deutschland sowohl die Möglichkeiten als auch die Verantwortung, seine Emissionen zu reduzieren – und darüber hinaus auch international und in der EU großen politischen Einfluss. Darüber hinaus könnte Deutschland von einer Vorreiter-Rolle erheblich profitieren, wenn Unternehmen neue, klimaneutrale Produkte und innovative Geschäftsmodelle entwickeln, um so nachhaltige Wertschöpfung und zukunftsfeste Arbeitsplätze zu schaffen.
Mythos 4: „1,5°C mehr oder weniger – das macht doch keinen großen Unterschied!“
Risiken, negative Folgen und die damit verbundenen Schäden durch den Klimawandel steigen im Zuge der globalen Erwärmung an. Die erwarteten langfristigen Folgen sind dabei um ein Vielfaches höher als derzeit beobachtet.
Dass selbst wenige Zehntel Grad viel ausmachen können, zeigt sich u.a. am Nordpol. Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius ist die Arktis einmal in 100 Jahren eisfrei; bei einem Plus von 2 Grad Celsius im Schnitt alle 10 Jahre. Beispiel Korallenriffe: Während bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius voraussichtlich 70 bis 90 Prozent der weltweiten Korallenriffe absterben werden, sind es bei einem Plus von 2 Grad Celsius praktisch alle (98 bis 99 Prozent). Durch die Erderwärmung steigt auch das Risiko für Überschwemmungen: Bei einem Plus von 1,5 Grad Celsius sind 11 Prozent der weltweiten Landfläche betroffen, bei einer Zunahme um 2 Grad Celsius sogar 21 Prozent.
Diese Folgen sind teils mit erheblichen Schäden und Kosten verbunden, die durch Klimaschutzmaßnahmen reduziert werden können.
Mythos 5: „Es ist doch eigentlich ganz schön, wenn es bei uns wärmer wird!“
Drei Monate täglich 30 Grad Celsius und Sonnenschein in Berlin? Klasse, dann können wir endlich Sommerurlaub zu Hause machen! Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die Effekte der Erderwärmung sind vielfältig, in unseren Breiten haben wir in den vergangenen Jahren nicht nur sehr warme, sondern auch enorm trockene Sommer erlebt. Die Landwirtschaft ächzte ebenso wie Flora und Fauna unter Wassermangel. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit musste in Sachsen-Anhalt mancherorts die Wasserentnahme eingeschränkt werden. Etliche Hitzetote wurden in den Sommern beklagt.
Klimatisch gehört Sachsen-Anhalt bereits zu den trockensten Regionen Deutschlands. Insbesondere die Jahre 2018 und 2022 brachten deutlich weniger Niederschlag als üblich. Auch die Jahre 2019 und 2020 waren zu trocken und lediglich 2021 brachte Niederschläge im klimatischen Normalbereich. Da die Böden über die Zeit massiv ausgetrocknet sind, fehlte den Bäumen das Wasser, um sich ausreichend zu versorgen. Die Folge war eine zunehmende Anfälligkeit gegenüber Schaderregern und Schadinsekten. So hat der Borkenkäfer im Harz massive Schäden an den Fichtenkulturen angerichtet, wodurch große Waldflächen verloren gegangen sind. Auch in der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt gab es in den vergangenen Jahren insbesondere bei den Sommerkulturen große Ernteeinbußen aufgrund von Trockenschäden.
Zahlreiche Wirtschaftsbranchen bekamen die Auswirkungen von Dürren ebenfalls bereits zu spüren, etwa die Energieerzeugung oder die Industrie. Während der extrem trockenen Sommer 2018, 2019 und auch 2022 sanken zum Beispiel die Wasserstände von Rhein und Elbe so stark, dass Binnenschiffe über Wochen nur eingeschränkt oder gar nicht fahren konnten. Wegen der Verkehrseinschränkungen mussten am Rhein zum Beispiel Raffinerien und Chemiewerke ihre Produktion reduzieren. Weil es an Kühlwasser mangelte, wurden Kohle- und Atomkraftwerke zeitweise in ihrer Leistung gedrosselt. Die wirtschaftlichen Schäden alleine für diese Branchen betrugen viele hunderte Millionen Euro.
Eine weitere Folge der Klimakrise, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt zeigte: häufigere und heftigere Extremwetterereignisse – wie etwa der langanhaltende Starkregen, der Mitte 2021 rund um das Ahrtal eine der größten Katastrophen in der Region seit Jahrhunderten ausgelöst hatte. In der jüngeren Vergangenheit war Sachsen-Anhalt mehrfach von Hochwasserkatastrophen betroffen. Hierbei zu nennen sind insbesondere die Flutkatastrophen im August 2002 und Juni 2013. Die dadurch angerichteten Schäden waren enorm. Zudem führten Starkregenereignisse in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren wiederholt zu Überschwemmungen und Schlammlawinen, so zum Beispiel im Juli 2014 in Ilsenburg im Landkreis Harz, im Mai 2017 in den Ortslagen Barnstädt und Nemsdorf-Göhrendorf im Saalekreis und im Mai 2018 in Droyßig im Burgenlandkreis.
In anderen Teilen der Welt hat die Gletscherschmelze zur Folge, dass große Süßwasserreservoirs zur Neige gehen. Durch das Schmelzen von Permafrostböden gelangt das im Eis gebundene Methan in die Atmosphäre und verschärft die Klimakrise weiter. Sich verschiebende Klimazonen sind für einige Arten ein Problem und bringen die gut aufeinander abgestimmten Prozesse und Abläufe der Natur durcheinander. Die für unser Leben wichtigen Ökosystemleistungen werden so erheblich gestört.
Mythos 6: „Wir können doch ganz einfach alles an den Klimawandel anpassen!“
Weltweit hat der Temperaturanstieg bereits zu einer Verschiebung von Klimazonen geführt und damit zu teils tiefgreifenden Veränderungen der Verbreitungsgebiete von Pflanzen und Tieren.
Die Tier- und Pflanzenwelt in Sachsen-Anhalt ist schon jetzt deutlich vom Klimawandel betroffen: Aufgrund steigender Temperaturen und anhaltender Dürreperioden sind erste Arten häufiger im Norden oder in höheren Lagen anzufinden, Pflanzen treiben frühzeitiger aus und viele Zugvogelarten kommen früher aus ihren Winterquartieren zurück.
Insbesondere Arten mit einem engen ökologischen Toleranzbereich sowie kälte- und feuchtigkeitsliebende Arten werden von den klimatischen Veränderungen betroffen sein. Hierzu zählen beispielsweise Amphibienarten wie die Rot- und Gelbbauchunke oder auch Vogelarten wie der Fitis und die Tannenmeise. Reliktarten der Eiszeit, wie die Brocken-Anemone oder das Brocken-Habichtskraut, die deutschlandweit bzw. weltweit nur auf dem Brockenplateau zu finden sind, sind durch steigende Temperaturen besonders bedroht.
Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht drastisch reduziert wird, gibt es zudem keine Anpassungsmaßnahmen mehr, die uns vor den gravierenden Auswirkungen schützen können. Darüber hinaus werden die Kosten für diese Maßnahmen bei fehlenden Klimaschutzbemühungen ins Unermessliche steigen. Damit Klimaanpassung überhaupt noch eine Option sein kann, braucht es daher effektiven Klimaschutz, um den Klimawandel aufzuhalten.
Mythos 7: „Der Mensch hat mit dem Klimawandel gar nichts zu tun!“
Seit Beginn der Industrialisierung am Ende des 18. Jahrhunderts nimmt die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre stark zu. Bei Kohlendioxid ist die Hauptursache das Verbrennen fossiler Energieträger, die im Laufe der Erdgeschichte entstanden sind – vor allem Kohle, Erdöl und Erdgas. Zugleich wurden große Waldflächen abgeholzt oder abgebrannt, Moore trockengelegt, die Nutzungen von Böden verändert. Dadurch werden einerseits weitere Treibhausgase freigesetzt, andererseits gibt es dann weniger Senken, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und binden können. Es bleibt aber auch festzuhalten: Es sind Menschen, die durch Änderungen der Gewohnheiten den Klimawandel aufhalten können.
Bereits im Jahr 1856 beschrieb Eunice Newton Foote als erste die Interaktion zwischen Sonnenlicht und CO2. Die Wirkung fand sie in einem Experiment mit verschieden gefüllten Glasröhren. Ihre Arbeit fand damals jedoch nur geringe Beachtung.
Mythos 8: „Es kann doch gar nicht so schlimm sein, wenn die Meere etwas saurer werden!“
Die Meere nehmen große Teile der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf; dadurch steigt der pH-Wert des Wassers an. Der pH-Wert des oberflächennahen Meerwassers liegt aktuell im weltweiten Mittel bei etwa 8,1 und ist im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um rund 0,1 gesunken. Diese Veränderung mag gering klingen, bedeutet jedoch eine Zunahme des Säuregrades um 26 Prozent. Die Entwicklung bedroht unter anderem zahlreiche kalkbildende Meereslebewesen wie Korallen, Muscheln oder Krebse. Sinkt der menschengemachte Ausstoß von Kohlendioxid nicht, könnte der pH-Wert bis Ende des Jahrhunderts auf Werte fallen, wie sie seit mehr als 50 Millionen Jahren nicht mehr in den Ozeanen vorkamen.
Mythos 9: „Der Klimawandel hat ganz natürliche Gründe!“
CO2, das auf natürlichem Weg unter anderem durch Atmung, Gärung und Verwesung entsteht, wird auch wieder auf natürlichem Weg gebunden – etwa eingelagert in Holz oder gespeichert im Meer oder im Boden. Die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl dagegen setzt über Jahrmillionen gelagertes CO2 innerhalb von Jahrzehnten frei – es bringt deshalb die eigentlich ausgeglichene Kohlenstoff-Bilanz der Atmosphäre durcheinander. Auch die Sonne kann nicht die Ursache der globalen Erwärmung sein, denn seit etwa 50 Jahren nimmt ihre Leuchtkraft leicht ab – während in diesem Zeitraum der stärkste Temperaturanstieg gemessen wurde. Selbst ein künftiges absolutes Aktivitätsminimum der Sonne, wie während der kleinen Eiszeit zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert, würde wenig am Klimawandel ändern: In einem solchen Fall würde sich die Erdmitteltemperatur nur um wenige Hundertstel- oder Zehntelgrad verringern – doch der Anstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit beträgt bereits jetzt etwa 1,1°C.
Auch Vulkanaktivität hat keinen signifikanten Einfluss auf die aktuelle globale Erwärmung. Über Vulkanausbrüche gelangen Schwefelgase in die Atmosphäre, aus denen dort Schwefelteilchen entstehen – so genannte Aerosole. Diese reflektieren einen Teil des Sonnenlichts, was zu einer gewissen Abkühlung der Erde führt. Dieser Effekt hält aber nur wenige Jahre an. Der bisher letzte klimawirksame Vulkanausbruch war der Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Es lässt sich also festhalten, dass durch die Verstärkung des Treibhauseffekts im gesamten Klimasystem der Erde zusätzliche Energie vorhanden ist. Nur gut ein Prozent dieser Überschuss-Energie verbleibt dabei in der Lufthülle der Erde, der Großteil reichert sich in den Weltmeeren an. So könnte die Temperatur der Atmosphäre durchaus stagnieren oder gar abnehmen, während gleichzeitig die Temperatur der Ozeane weiter ansteigt.
Mythos 10: „Es gibt keinen Klimawandel – das ist einfach das Wetter!“
Wetter ist der Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dieser Zustand wird unter anderem durch Temperatur, Wind und Niederschlag beschrieben. Genaue Wettervorhersagen sind eine große Herausforderung, da die Atmosphäre ein chaotisches System ist. Kleine Unterschiede in der Windgeschwindigkeit oder -richtung im Jetstream in 10 Kilometern Höhe können einen großen Einfluss darauf haben, wann in Sachsen-Anhalt eine Kaltfront durchzieht und Regen mit sich bringt.
Klima definiert sich dagegen als Durchschnitt der Wetterdaten aus mindestens 30 Jahren. Chaotische Ereignisse werden über diesen Zeitraum statistisch ausgeglichen. Es ist also nicht relevant, was an welchem Wochentag geschieht. Wenn sich die Rahmenbedingungen für das Klima wandeln, verschiebt sich das ganze System. Das bedeutet nicht, dass es künftig keine kalten Winter mehr gibt; wohl aber nimmt die Wahrscheinlichkeit für kalte Winter damit ab. Auch Hitzewellen werden immer häufiger. Da bei höheren Temperaturen die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnimmt, häufen sich gleichzeitig lokale Starkniederschläge. Die Zunahme an Wetterextremen war von 2011 bis 2020 so hoch, dass sie ohne den menschengemachten Klimawandel nicht zu erklären sind.