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Willingmann warnt vor Comeback der Atomkraft in Deutschland

Nach Angriff einer Drohne auf havariertes Atomkraftwerk Tschernobyl

Nach dem Drohnenangriff auf das havarierte ukrainische Atomkraftwerk Tschernobyl vergangene Woche hat Sachsen-Anhalts Umweltminister Prof. Dr. Armin Willingmann am heutigen Donnerstag am Rande der Landtagssitzung die gefährliche Attacke scharf verurteilt und vor einem Comeback der Atomkraft in Deutschland gewarnt. „Wie viel kriminelle Energie und Menschenfeindlichkeit muss zusammenkommen, wenn man fast 40 Jahre nach dem weltweit schwersten Reaktorunfall den havarierten Reaktorblock mit einer Kampfdrohne angreift und offenbar schwerste Folgen für Menschen und Umwelt gewissenlos in Kauf nimmt,“ fragte Willingmann. „Atomkraft bleibt eine Risikotechnologie – insbesondere auch in kriegerischen Konflikten“, erklärte der Minister weiter. „Auch vor diesem Hintergrund halte ich die Debatte um ein Comeback der Atomkraft in Deutschland für verfehlt.“

Vergangenen Freitag war eine Kampfdrohne in 87 Metern Höhe an der Schutzhülle des 1986 havarierten Reaktorblocks 4 explodiert. Der erst 2019 neu in Betrieb genommene Sarkophag aus Stahl und Beton wurde dabei auf einer Fläche von 40 Quadratmetern beschädigt. Einsatzkräften gelang es, das Feuer infolge der Explosion zu löschen. In seinem vorläufigen Fazit zum Angriff sprach Willingmann von „Glück im Unglück“: „Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO konnte keinen Anstieg der Radioaktivität messen, so konnten auch für das deutsche Staatsgebiet radiologische Auswirkungen ausgeschlossen werden.“ Willingmann verwies zugleich auf die Sorge der internationalen Atomexperten, dass neben Tschernobyl auch weitere Kraftwerksstandorte durch den andauernden Krieg in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. IAEO-Angaben zufolge wird etwa das Kernkraftwerk Saporischschja seit nunmehr einem Jahr nur noch über die einzig verbliebene 750-Kilovolt-Leitung mit Strom versorgt.

Jüngsten Forderungen aus der Politik nach einem Comeback der Atomkraft in Deutschland erteilte der Minister vor diesem Hintergrund eine deutliche Absage: „Atomkraftwerke basieren nicht nur auf einer Risikotechnologie, sie können eben auch Objekte terroristischer Angriffe sein. Atomkraft ist zudem für die Versorgungssicherheit in Deutschland auch nicht erforderlich. Alte Meiler werden zurückgebaut und es gibt auch seitens der Energieunternehmen, insbesondere der Betreiber der zuletzt abgeschalteten drei Atommeiler, kein Interesse, zur Atomkraft zurückzukehren“, betonte Willingmann. Der Minister wies darauf hin, dass sich Wirtschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher zu Recht eine verlässliche Energiepolitik wünschen.

„Die Rückkehr zur Atomenergie ist eine reine, lobbygetriebene Scheindebatte, die vollends die akuten Probleme bei Errichtung und Betrieb von Atomkraftwerken – auch im Ausland – ausblendet: von der nahezu aussichtslosen Standortsuche über mehrjährig verzögerte Errichtungszeiten, bis hin zu neuen Abhängigkeiten bei Brennstäben oder längeren Betriebsunterbrechungen. Last not least: Wer lautstark Atomkraft fordert, muss darüber hinaus die in Deutschland seit Jahrzehnten ungelöste Frage beantworten, wo der strahlende Müll denn dauerhaft gelagert werden soll“, so Willingmann. Bekanntlich findet bundesweit in den nächsten Jahren weiter die Suche nach einem Endlager für rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle statt. Und wie die Bundesgesellschaft für Endlagersuche jüngst bekannt gegeben hat: Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Gesteinsformationen, die für ein mögliches Atomendlager infrage kommen könnten.

Die neue Bundesregierung müsse nunmehr vor allem die Energiewende weiter vorantreiben, forderte der Energieminister weiter: „Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien müssen wir beim Ausbau der Stromnetze weiter vorankommen. Zudem muss die neue Bundesregierung endlich die Kraftwerksstrategie verabschieden, damit neue wasserstofffähige Gaskraftwerke zur Absicherung der Energieversorgung zeitnah realisiert werden können. Hier haben wir unnötig viel Zeit verloren!“

Tschernobyl und die Folgen

Am 26. April 1986 explodierte Reaktorblock 4 des ukrainischen Atomkraftwerks Tschernobyl. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kamen infolge des Unglücks mindestens 4.000 Menschen ums Leben, weit mehr erkrankten an Krebs. Mehr als 600.000 Menschen mussten sich an den Aufräumarbeiten beteiligen, bis heute wird die Havarie als weltweit schwerster Reaktorunfall aller Zeiten angesehen. Unmittelbar nach der Havarie wurde ein Sarkophag aus Stahl und Beton errichtet, um die Strahlung einzudämmen. Nachdem dieser in die Jahre kam, wurde zwischen 2010 und 2016 mit internationaler Hilfe eine neue Schutzhülle „New Safe Confinement (NSC)“ für mehr als zwei Milliarden Euro errichtet und über den ersten Sarkophag geschoben.

Die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl vor fast 40 Jahren hatte weitreichende Folgen. Nach der Nuklearkatastrophe verteilten sich Wolken mit radioaktiven Stoffen zunächst über weite Teile Europas, später über die gesamte nördliche Halbkugel. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) regnete ein Teil der radioaktiven Stoffe auch in Deutschland nieder. In der Region Magdeburg wurde nach Angaben des damaligen Bezirks-Hygieneinstituts unmittelbar nach der Katastrophe eine 100- bis 500-mal höhere Radioaktivität in der Luft gemessen. In einigen Gegenden Deutschlands sind bis heute insbesondere bestimmte Pilz- und Wildarten noch immer mit Cäsium-137 belastet. Der Süden Deutschlands – vor allem Südbayern und der Bayerische Wald – ist vom Tschernobyl-Fallout besonders betroffen. Aber auch in Sachsen-Anhalt hat die Region um Schollene an der Landesgrenze zu Brandenburg eine höhere Belastung als im übrigen Norden Deutschlands.

Fragen und Antworten zu den Folgen und Spätfolgen der Reaktorkatastrophe sind auf den Internetseiten des Umweltministeriums abrufbar: https://mwu.sachsen-anhalt.de/umwelt/strahlenschutz/faq-tschernobyl

 

Zum Thema Atomkraft gibt es ein weiteres FAQ unter: https://mwu.sachsen-anhalt.de/energie/atomkraft

Kontakt

Ministerium für Wissenschaft,
Energie, Klimaschutz und Umwelt

des Landes Sachsen-Anhalt
Leipziger Straße 58
39112 Magdeburg

Telefon: +49 391 567- 1950
E-Mail: pr(at)mwu.sachsen-anhalt.de

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