Der Wolf breitet sich in Sachsen-Anhalt weiter aus. Das geht aus dem aktuellen Monitoringbericht des Landesamtes für Umweltschutz (LAU) hervor, den Umweltminister Prof. Dr. Armin Willingmann gemeinsam mit LAU-Präsidentin Dr. Sandra Hagel heute in Magdeburg vorgestellt hat. So ist die Zahl der im Land lebenden Wölfe auf 258 gestiegen. Auch wurde im Berichtszeitraum von Mai 2023 bis April 2024 ein leichter Anstieg der Übergriffe auf Nutztiere registriert. Umweltminister Willingmann kündigte am Montag einen Erlass für so genannte „Schnellabschüsse“ in Sachsen-Anhalt an. Dieser sieht vor, dass Wölfe, die wiederholt an Nutztierrissen beteiligt waren, in Regionen mit erhöhtem Rissaufkommen künftig bereits nach dem erstmaligen Überwinden des zumutbaren Herdenschutzes unbürokratischer entnommen werden dürfen.
„Der Wolf ist in Sachsen-Anhalt wieder heimisch geworden. Das ist aus Sicht des Natur- und Artenschutzes ein Erfolg. Angesichts der wachsenden Population im Lande halte ich es für notwendig, noch mehr für ein konfliktarmes Leben mit dem Wolf zu tun“, betonte Willingmann. „Mit dem Erlass schaffen wir die Möglichkeit, Wölfe mit auffälligem Verhalten künftig unbürokratischer entnehmen zu können. Wir knüpfen hier an das im Bundesumweltministerium entwickelte Modell der so genannten Schnellabschüsse an, das auf der Umweltministerkonferenz im Dezember 2023 vorgestellt und seitdem in den Ländern weiterentwickelt wurde. Klar ist aber auch: Ohne Änderung des Rechtsrahmens auf Europa- und Bundesebene wird es weiterhin keine gezielte Bestandsregulierung mittels systematischer Entnahmen geben. Wir werden darüber hinaus auch die Tierhalter nicht aus der Verantwortung entlassen, konsequent wolfsabweisenden Herdenschutz einzusetzen.“
Der Erlass zum Umgang mit dem Wolf sieht vor, dass das Landesamt für Umweltschutz prüft, ob ein Gebiet mit erhöhtem problematischen Nutztierrissaufkommen festlegt werden kann. In diesen Gebieten ist die Entnahme eines Wolfs bereits nach erstmaligem Überwinden eines zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren binnen 21 Tagen nach dem Übergriff möglich. Die Entnahme darf dann im Umkreis von 1.000 Metern erfolgen. Das entsprechende Gebiet wird vom LAU festgelegt, die Ausnahmegenehmigung vom Landesverwaltungsamt erteilt. Eine genetische Individualisierung des schadenstiftenden Wolfs vor der Abschussgenehmigung ist für eine Entnahme dann nicht erforderlich.
Erlass wird Gerichtsentscheidungen aus Niedersachsen berücksichtigen
Der Erlass berücksichtigt die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 12. April 2024 (Az. 4 ME 73/24). Auch in Gebieten mit erhöhtem Nutztierrissaufkommen wird es nicht zu automatischen Entnahmen von Wölfen kommen. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob ein ernster wirtschaftlicher Schaden droht. Eine Entnahme wird zudem nur dann möglich, wenn durch den Wolf der zumutbare Herdenschutz überwunden wurde. Maßgeblich für den zumutbaren Herdenschutz ist der Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen, den Bund und Länder erstellt haben. Veröffentlicht werden soll der Erlass zu Schnellabschüssen noch im Dezember.
Zahl der Wolfsrudel steigt auf 32
Zwischen Mai 2023 und April 2024 ist die Zahl der in Sachsen-Anhalt lebenden Wölfe um 54 auf insgesamt 258 gestiegen. 78 von ihnen sind erwachsene Wölfe, 40 sind so genannte Jährlinge und bei 129 handelt es sich um Welpen. 11 weitere konnten nicht zweifelsfrei zugeordnet werden. Zu den 258 Wölfen kommen noch 34 Tiere hinzu, die sich in grenzübergreifenden Territorien bewegen. Die Zahl der im Land lebenden Wolfsrudel nahm von 27 auf 32 zu, die Zahl der Welpen pro Rudel stagnierte bei 3,6. Nachdem die Zahl der Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere mit 59 im vorherigen Berichtszeitraum auf den niedrigsten Stand seit 2018 fiel, ist im aktuellen Monitoring wieder ein leichter Zuwachs an Rissvorfällen auf 63 zu verzeichnen. Auch wurden wieder mehr Tiere getötet, die Zahl stieg von 176 auf 228.
Fehlender Herdenschutz häufig ein Grund für Rissvorfälle
Regional waren die Übergriffe durch Wölfe auf Nutztiere sehr unterschiedlich verteilt. Die meisten Rissvorfälle wurden im Altmarkkreis Salzwedel (28,6 Prozent) gemeldet, gefolgt vom Landkreis Jerichower Land (23,8 Prozent) und dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld (14,3 Prozent). Dort gab es jedoch nicht die meisten bekannten Wolfsrudel. Diese waren im Landkreis Wittenberg zu finden. Trotz größerer Population wurden hier aber nur 9,5 Prozent aller Übergriffe auf Nutztiere registriert. Insoweit korrespondierte das Rissgeschehen eher mit der Einhaltung wolfsabweisender Herdenschutzmaßnahmen. Weiterhin nur wenig verbreitet ist Herdenschutz beispielsweise bei Hobbyhaltern – in 83 Prozent der Fälle war der Herdenschutz unzureichend.
6.000 Hinweise für Monitoringbericht ausgewertet
Für den Monitoringbericht ist eine breite Datengrundlage von großer Bedeutung. Hinweise oder Sichtungen können über das Tierartenmeldeportal direkt online an das Wolfskompetenzzentrum Iden (WZI) gemeldet werden. Dazu erklärte LAU-Präsidentin Hagel: „Für den aktuellen Monitoringbericht wurden fast 6.000 Hinweise ausgewertet, viele davon stammen aus Forstbetrieben, der Jägerschaft oder kommen direkt aus der Bevölkerung. Um die Meldung möglichst einfach zu machen, haben wir das Formular für Wolfshinweise jetzt neu in unser Tierartenmonitoring-Portal für Sachsen-Anhalt aufgenommen und für Mobiltelefone optimiert.“
Der aktuelle Wolfsmonitoringbericht sowie die Berichte der Vorjahre können auf den Internetseiten des Landesamtes für Umweltschutz heruntergeladen werden: https://lau.sachsen-anhalt.de/publikationen/berichte-und-fachinformationen/wolfsmonitoringberichte