Die Universitäten Magdeburg und Halle sind die großen Gewinner im Wettbewerb um den diesjährigen „Hugo-Junkers-Preis“. In drei von vier Kategorien stellen sie die Erstplatzierten, hinzu kommen weitere zweite und dritte Plätze. Den Sieg in der Sonderkategorie „Energie- und Umweltforschung“ sichert sich ein junges Photovoltaik-Unternehmen aus Kabelsketal (Saalekreis).
Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann hat die Siegerinnen und Sieger heute in Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) ausgezeichnet und Preisgelder in Höhe von insgesamt 80.000 Euro vergeben. Er sagt: „Sachsen-Anhalt setzt auf Innovation. Der Hugo-Junkers-Preis zeigt eindrucksvoll, dass in unserem Land kluge Köpfe aus Wissenschaft, Industrie und Handwerk mit tollen Ideen Zukunft gestalten. Diese Vorreiter und Möglichmacher hätten sicher auch den Dessauer Luftfahrtpionier Hugo Junkers begeistert. Umso wichtiger ist es, dass wir diese Menschen und ihre starken Leistungen mit dem Innovationspreis aus Laboren und Büros ins verdiente Rampenlicht holen.“
Der „Hugo-Junkers-Preis“ wurde in vier Kategorien vergeben – von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis hin zu innovativen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen und dem diesjährigen Sonderpreis für Projekte der Energie- und Umweltforschung. Die hochkarätig besetzte Jury um die Vorsitzende Prof. Dr. Julia Arlinghaus, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg, hatte dabei die Qual der Wahl und konnte aus insgesamt 60 Bewerbungen drei Erstplatzierte für jede der vier Kategorien wählen. Entscheidend dafür war neben dem hohen Innovationsgrad auch die ökologische und soziale Relevanz der kreativen Produkte, wegweisenden Forschungsprojekte und innovativen Geschäftsideen „made in Sachsen-Anhalt“.
Fotos von der Preisverleihung stehen ab Donnerstag, 8. Juni, 13 Uhr, hier zum Download bereit: https://lsaurl.de/HJP23Fotos.
Die Siegerprojekte in der Übersicht:
Kategorie „Innovativste Vorhaben der Grundlagenforschung“
- Platz 1 (10.000 Euro): Hydrogelformende Nanofasern – eine neue Option für die Arzneimitteltherapie am Auge;
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – Institut für Pharmazie / Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde
Augentropfen und -salben hat wohl jeder schon mal genutzt. Das Problem: Die darin enthaltenen Wirkstoffe werden oftmals schlecht aufgenommen oder schnell abgebaut. Die Lösung kommt aus Halle: Dort wurden neuartige elektrogesponnene Vliese entwickelt, die sich nach Verabreichung am Auge schnell auflösen und dabei ein Hydrogel ausbilden, wodurch Wirkstoffe länger am Auge wirken können und zudem vollständig in die Tränenflüssigkeit aufgenommen werden. Dies sorgt für eine effizientere Therapie und weniger Behandlungen. Weitere Vorteile im Vergleich zu bisherigen Augentropfen oder -salben sind eine verbesserte Lagerfähigkeit und Verträglichkeit.
- Platz 2 (7.000 Euro): Neuartige biokompatible Ta-Nb-Ti Multikomponentenlegierung mit antibakteriellen Eigenschaften für den Einsatz in biomedizinischen Anwendungen;
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Lehrstuhl für Hochtemperaturwerkstoffe/Experimentelle Orthopädie
Durch erhöhte Lebenserwartung und die wachsende Zahl von Implantationen steigt auch der Bedarf an besonders haltbaren und verträglichen Werkstoffen für Implantate. Im Projekt wurde eine neuartige Multikomponentenlegierung entwickelt, die antibakterielles Verhalten mit herausragenden biomechanischen Eigenschaften verbindet.
- Platz 3 (3.000 Euro): Endogene Retroviren als Zielstrukturen für neue Therapien gegen neurologische Erkrankungen;
Universitätsklinikum Halle (Saale) – Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie – Universitätsklinik für Pädiatrie I / Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI
Ziel des Projektes sind neue Therapieansätze für neurologische Krankheiten wie etwa Multiple Sklerose. Dafür wurde untersucht, inwiefern humane endogene Retroviren (HERV) für die Entwicklung derartiger Krankheiten verantwortlich sein können. Bei HERV handelt es sich um Viren, die ihre Erbinformation im Laufe der Evolution in das menschliche Erbgut integriert haben.
Kategorie „Innovativste Projekte der angewandten Forschung“
- Platz 1 (10.000 Euro): µRIGS – Micropositioning Robotics for Image-Guided Surgery;
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Forschungscampus STIMULATE
Das weltweit neuartige System “µRIGS” unterstützt OP-Teams bei minimal-invasiven, bildgeführten Operationen. Entwickelt wurde eine innovative Einrichtung, mit der sich medizinische Spezialwerkzeuge in einem Magnetresonanztomographen (MRT) relativ zu einem Patienten oder einer Patientin positionieren lässt. Durch die kompakte Bauweise, den Teilautomatismus und die Fernsteuerung lassen sich patientenschonende minimal-invasive Eingriffe trotz der beengten Platzverhältnisse im schmalen MRT-Tunnel deutlich besser umsetzen. Das patentierte “µRIGS”-System gewinnt durch die zunehmende Zahl von Krebserkrankungen zusätzlich an Bedeutung.
- Platz 2 (7.000 Euro): Pro-Kran-Assist: Intelligenter Prozessbeobachter für die Kranautomatisierung;
Kranbau Köthen GmbH / Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Der neu entwickelte, laser-basierte 3D-Kran-Assistent unterstützt den Kranführer berührungslos und verschleißfrei beim Aufnehmen und Absetzen von Lasten. Das System erzeugt mittels Kameras ein dreidimensionales Abbild vom Arbeitsraum des Krans und zeigt die Ergebnisse in einem VR-Modell auf dem Monitor an.
- Platz 3 (3.000 Euro): In-Situ Electrical Analyser – Hochauflösendes Analysetool für Halbleitertechnologien;
point electronic GmbH (Halle (Saale)) / CEA-Leti, Minatec (Grenoble)
Halbleiter sind nicht nur Basis für technologischen Fortschritt, sondern werden auch immer kleiner. Die anhaltende Miniaturisierung führt aber dazu, dass sich Fehler schwerer finden lassen. Das Projekt ermöglicht jetzt weltweit erstmals die elektrische Fehler-Analyse von Halbleitern auf Sub-Nanometer-Niveau – durch die Nutzung extrem leistungsstarker Transmissionselektronenmikroskope. Umgerechnet könnte man so vom Mond aus prüfen, welche Lampe auf dem Marktplatz in Halle eingeschaltet ist.
Kategorie „Innovativste Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle“
- Platz 1 (10.000 Euro): Einfache und skalierbare Synthese von planzenbasiertem Cholesterol in GMP-Qualität;
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik – Institut für Chemie
Ein wesentlicher Bestandteil moderner mRNA-Impfstoffe ist Cholesterol, welches aktuell industriell v.a. aus tierischen Quellen erzeugt wird. Dank der Universität Magdeburg könnte sich das ändern: Chemiker haben ein innovatives Verfahren zur Synthese von pharmazeutischem Cholesterol auf Grundlage pflanzlicher Rohstoffe entwickelt. Dies ermöglicht die Herstellung großer Mengen Cholesterol, die für eine industrielle Produktion von mRNA-Impfstoffen benötigt werden. In Kooperation mit einem Pharmaunternehmen wurde die Laborsynthese zum industriellen Prozess erweitert sowie das fertige Produkt bereits weltweit vermarktet und vertrieben.
- Platz 2 (7.000 Euro): Der digitale Studierendenausweis;
UniNow GmbH (Magdeburg)
Der digitale Studierendenausweis macht Hochschulen und Studierenden das Leben leichter. Er kann direkt über die App „UniNow“ aufgerufen werden, bildet Daten wie Name, Geburtsdatum, Matrikelnummer und Gültigkeit ab und dockt dabei an das Campus-Management-System der Hochschule an. Der Ausweis ist modular erweiterbar, ressourcenschonend, fälschungssicher, barrierefrei bedienbar und datenschutzkonform.
- Platz 3 (3.000 Euro): Maximale Haltbarkeit und Natürlichkeit für aromatisiertes Wasser;
DIE FRISCHEMANUFAKTUR GmbH (Halle (Saale))
In privaten Haushalten ist „Infused Water“ bereits ein Trend: Einfach Kräuter und Obststücke ins Wasser, fertig ist das erfrischende Getränk – ohne Zusatz von Zucker und künstlichen Aromen sowie mit wenigen Kalorien. In den Einzelhandel hat es der Trend aber bisher noch nicht geschafft – vor allem aufgrund einer aufwendigen Herstellung und der zu geringen Haltbarkeit. Diese Probleme sind jetzt gelöst: Das Startup aus Halle hat ein einzigartiges und patentiertes Herstellungsverfahren entwickelt, durch welches „Infused Water“ bis zu 16 Wochen haltbar ist und daher ab sofort auch in Supermärkten, Flughäfen oder Bäckereiketten verkauft wird.
Sonderpreis „Innovativste Projekte aus dem Bereich Energie- und Umweltforschung“
- Platz 1 (10.000 Euro): LECO – hochdurchsatzfähiges Equipment zur Effizienzsteigerung von Solarzellen;
CE Cell Engineering GmbH (Kabelsketal)
Das Unternehmen hat ein Verfahren entwickelt, um die Leistungsfähigkeit kristalliner Silizium-Solarzellen zu steigern: LECO (Laser Enhanced Contact Optimization) verbessert Metall-Halbleiter-Kontakte und ermöglicht so eine höhere Zelleffizienz bei überschaubaren Kosten. Die Wirksamkeit des Verfahrens wurde von Photovoltaik-Instituten bestätigt und wird bereits in der Herstellung von Solarzellen genutzt.
- Platz 2 (7.000 Euro): Recyclingverfahren für kristalline Solarmodule;
SOLAR MATERIALS GmbH (Magdeburg)
Das innovative Recyclingverfahren schließt den Rohstoffkreislauf der Photovoltaik und verbessert so Ressourceneffizienz und CO2-Bilanz von Solarmodulen. Das Besondere: Das Verfahren ist das erste weltweit, mit dem sich sämtliche Rohstoffe zurückgewinnen lassen: von Glas über Aluminium und Kunststoffen bis hin zu Silizium, Kupfer und Silber.
- Platz 3 (3.000 Euro): Nanolope Pufferspeicher zur Speicherung von überschüssiger Wärme;
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – Institut für Chemie
Das neu entwickelte Material „Nanolope“ kann deutlich mehr Energie speichern als herkömmliche Baumaterialien wie Beton oder Gips. Der Clou ist die Verbindung von einem Material, das durch den Phasenwechsel von fest zu flüssig viel Energie speichert, und einer festen porösen Trägermatrix, wodurch er makroskopisch ein Festkörper bleibt. Auf Basis von „Nanolope“ wurde bereits ein neuartiger Warmwasserspeicher entwickelt, mit dem sich überschüssige Wärme bzw. Strom für mehrere Monate speichern lassen.
Für Updates und Blicke hinter die Kulissen des Wettbewerbs gibt es eine Fokusseite auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/showcase/hugo-junkers-preis-für-forschung-und-innovation.
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