Seit Sommer 2021 kann in Sachsen-Anhalt der Doktorgrad nicht nur an Universitäten, sondern auch an Promotionszentren der Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) erworben werden. Sachsen-Anhalt war das zweite Bundesland nach Hessen, das den Hochschulen ein eigenständiges Promotionsrecht ermöglicht hat. Bei der 100. BundesDekaneKonferenz Wirtschaftswissenschaften, die am Donnerstag und Freitag in Frankfurt am Main stattfand, stand das Thema „Promotionsrecht an HAW in Deutschland“ im Mittelpunkt der Tagung. Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann hat dort das in Sachsen-Anhalt entwickelte Modell vorgestellt, eine erste Bilanz gezogen und mit den Teilnehmern diskutiert. Er zeigte sich mit dem Start der Promotionszentren im Land zufrieden und sieht eine parallele Entwicklung in weiteren Bundesländern.
„Die Einführung eines eigenständigen Promotionsrechts an Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland ist eine ebenso sinnvolle wie notwendige Fortentwicklung unseres Wissenschaftssystems; und Sachsen-Anhalt gehört hierbei zu den Vorreitern“, betonte Willingmann. „Wir erkennen mit dem eigenständigen Promotionsrecht den hohen Forschungsanspruch unserer Hochschulen an, erhöhen ihre Wettbewerbsfähigkeit im Ringen um die besten Köpfe und schaffen für Graduierte größere Chancengerechtigkeit.“
Seit 2021 gibt es an den vier Hochschulen für angewandte Wissenschaften – den ehemaligen Fachhochschulen – in Sachsen-Anhalt drei Promotionszentren sowie zwei hochschulübergreifende Promotionszentren. Aktuell sind dort 28 Promovenden zugelassen, die ihre Doktorarbeiten schreiben und von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Hochschulen betreut werden. „Schon nach vergleichsweise kurzer Zeit gibt uns die Resonanz auf das Angebot Recht“, erklärte Willingmann. „Ich gehe nicht nur davon aus, dass in den kommenden Jahren noch deutlich mehr junge Menschen auch an den HAW zum Doktorgrad geführt und deren wissenschaftliche Arbeiten die fachlichen Diskussionen bereichern werden.“
Die Möglichkeit, den Doktorgrad an Hochschulen zu erwerben, wurde durch das 2020 grundlegend novellierte Hochschulgesetz des Landes und eine darauf basierende Verordnung des Ministers vom Mai 2021 geschaffen. Laut dieser Verordnung können forschungsstarke Bereiche an HAW oder deren Zusammenschlüsse ein eigenständiges Promotionsrecht erhalten und so den Doktorgrad auf Grundlage einer Dissertation und entsprechender Prüfung selbst verleihen. Voraussetzung für ein Promotionszentrum ist, dass mindestens sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Hochschulen hinreichend intensive Forschungsaktivitäten nachweisen. Die Förderung und Betreuung der Promovenden erfolgt in Promotionszentren, die sowohl innerhalb einer Hochschule als auch hochschulübergreifend eingerichtet werden können. Auf dieser Grundlage wurden an den vier sachsen-anhaltischen Hochschulen im Sommer 2021 fünf Promotionszentren eingerichtet, an denen insgesamt 87 Professorinnen und Professoren beteiligt sind.
Einführung des Promotionsrechts für HAW ist bundesweit ein Thema
Die Einführung des Promotionsrechts für Hochschulen steht auch in anderen Bundesländern auf der Agenda. Berlin ist Sachsen-Anhalt und Hessen bereits gefolgt und hat entsprechende Regelungen im Herbst 2021 eingeführt. Der Freistaat Bayern strebt die Einführung mit der anstehenden Hochschulgesetznovelle ebenfalls an, Brandenburg und Bremen prüfen den Schritt. Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gehen den Weg über die Einrichtung eines hochschulübergreifenden Promotionskollegs beziehungsweise eines Hochschulverbunds. Skepsis herrscht aktuell noch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz will die Einführung auf Basis der Erfahrungen anderer Bundesländer prüfen.
„Ich gehe davon aus, dass die flächendeckende Einführung des Promotionsrechts nur eine Frage der Zeit sein wird“, erklärte Willingmann. „Und dieser Schritt ist richtig, denn neben einer Stärkung des Innovationsgeschehens kann auch dem Fachkräftemangel begegnet und zur Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen beigetragen werden – insbesondere in jenen Fächern, die ausschließlich an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften gelehrt werden.“
Promotionszentren in Sachsen-Anhalt
- Promotionszentrum Life Sciences (Hochschule Anhalt)
- 6 Promovenden; 16 betreuende Professorinnen und Professoren
- Akademische Grade: DoktorIn der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) und DoktorIn der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.)
- Promotionszentrum Architektur und Designforschung (Hochschule Anhalt)
- Derzeit noch keine Promovenden; 9 betreuende Professorinnen und Professoren
- Akademische Grade: DoktorIn der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) und DoktorIn der Philosophie (Dr. phil.)
- Promotionszentrum Umwelt und Technik (Hochschule Magdeburg-Stendal)
- 2 Promovenden; 12 betreuende Professorinnen und Professoren
- Akademische Grade: DoktorIn der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) und DoktorIn der Philosophie (Dr. phil.)
- Hochschulübergreifendes Promotionszentrum Ingenieurwissenschaften und Informationstechnologien (Hochschule Merseburg, Hochschule Anhalt, Hochschule Harz)
- 12 Promovenden; insgesamt 21 betreuende Professorinnen und Professoren
- Akademische Grade: DoktorIn der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) und DoktorIn der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.)
- Hochschulübergreifendes Promotionszentrum Sozial-, Gesundheits- und Wirtschaftswissenschaften (Hochschule Magdeburg-Stendal; Hochschule Anhalt, Hochschule Harz, Hochschule Merseburg)
- 8 Promovenden; insgesamt 33 betreuende Professorinnen und Professoren
- DoktorIn der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.) und DoktorIn der Philosophie (Dr. phil.)
Hinweis: Einige der betreuenden Professorinnen und Professoren sind an mehreren Zentren aktiv.