Für den Ausbau der erneuerbaren Energien muss das deutsche Stromnetz erweitert werden. Um insbesondere Windstrom aus dem Norden und Osten in den Süden Deutschlands zu transportieren, verlegen Übertragungsnetzbetreiber aufgrund entsprechender Vorgaben der Bundesregierung aus dem Jahr 2015 vor allem Erdkabel. Aus Sicht von Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann geht der Ausbau des Stromnetzes mit Erdkabeln jedoch nicht schnell genug voran und ist zugleich teuer. Der Minister hat deshalb am Dienstag im Landtag seine Forderung an den Bund bekräftigt, die seit 2015 geltende Vorrangregelung für Erdkabel abzuschaffen und bei der Planung von Stromtrassen verstärkt auf Freileitungen zu setzen.
„Wir müssen beim Ausbau der Stromnetze in Deutschland schneller vorankommen, damit wir den Ausbau der Erneuerbaren nicht unnötig abbremsen“, betonte der Minister. „Der Wegfall des Erdkabelvorrangs würde zudem maßgeblich dazu beitragen, den Anstieg der ohnehin schon hohen Netzentgelte zu dämpfen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben gerade wieder berichtet, dass sie bei jedem Vorhaben bis zu ein Jahr Realisierungszeit einsparen könnten. Zudem sind die Kosten für Erdkabel bis zu acht Mal höher als die für Freileitungen.“ Schätzungen der Energiewirtschaft zufolge könnten flexiblere Vorgaben für Stromtrassen Kosteneinsparungen von 20 Milliarden Euro erbringen.
Für im Bau befindliche Projekte würde der Wegfall des Vorrangs für Erdkabel keine Auswirkungen mehr haben. Das gilt etwa für die SüdOstLink-Trasse, die von Wolmirstedt bis ins bayerische Landshut führen wird. Dem Betreiber zufolge sind die Planungen hier inzwischen zu weit gediehen, so dass ein Umplanen zu erheblichen Verzögerungen führen würde. Relevanter könnte der Wegfall der Vorrangregelung hingegen für den geplanten OstWestLink von Ostfriesland über Sachsen-Anhalt nach Sachsen sein. „Es ist wichtig, dass wir bei diesem Thema jetzt zeitnah zu Entscheidungen kommen“, betonte Willingmann. „Hier ist die Bundesregierung gefragt. Je weiter die Planungsverfahren für Erdkabel voranschreiten, desto geringer wird der Zeitgewinn durch ein Umschwenken auf Freileitungen.“
Mit dem Ende 2015 verabschiedeten Bundesbedarfsplangesetzes hatte der Bund die Vorrangregelung für Erdkabel bei Gleichstromtrassen eingeführt. Ziel war es seinerzeit, die Akzeptanz für den Ausbau des Stromnetzes zu steigern. „Wir konnten in den vergangenen Jahren allerdings beobachten, dass weder Erdkabel- noch Freileitungsprojekte auf größere Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung gestoßen sind“, so Willingmann. „Hier kommt es doch eher auf die rechtzeitige Kommunikation der Vorhaben und die adäquate Einbindung der Bevölkerung vor Ort an.“
Aktuell gibt es in Deutschland rund 37.000 Kilometer Hochspannungsleitungen, 14.000 sollen nach Angaben der Bundesnetzagentur noch hinzukommen. Die Behörde will die Schlagzahl bei Genehmigungen deshalb auch erhöhen. 2023 wurden 500 Kilometer Leitungen genehmigt, im laufenden Jahr sollen es 2.400 Kilometer sein, ab 2025 dann 4.500 Kilometer. Der für den Ausbau der erneuerbaren Energien notwendige Netzausbau hat in den vergangenen Jahren zu steigenden Netzentgelten geführt, weil die Investitionskosten auf die Stromkunden umgelegt werden. Aktuell zahlt ein Haushalt in Sachsen-Anhalt mit einem Jahresverbrauch von 5.000 Kilowattstunden etwa 507 Euro an Netzentgelten. Haushalte in Schleswig-Holstein zahlen 645 Euro, in Bremen 401 Euro. Aktuell liegt Sachsen-Anhalt bei Netzentgelten zwar nicht mehr in der Spitzengruppe. Der Minister betonte im Landtag aber, dass die Haushalte hierzulande über Jahre hinweg deutlich höhere Entgelte zahlen mussten als andernorts und damit überproportional belastet wurden.