In Folge des fortschreitenden Klimawandels kommen Starkregen und Hochwasser wie zuletzt in Süddeutschland immer häufiger vor und verursachen dabei auch erhebliche finanzielle Schäden. Umweltminister Prof. Dr. Armin Willingmann will deshalb bei der Umweltministerkonferenz am Freitag im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim für eine nachhaltigere Regulierung der finanziellen Schäden werben und hat die Einführung einer solidarischen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden mit einem Beschlussvorschlag auf die Agenda der Konferenz setzen lassen.
„Ob aktuell in Bayern und Baden-Württemberg, vor wenigen Wochen im Saarland oder zum Jahreswechsel 2023/2024 in Sachsen-Anhalt: Starkregen und Hochwasser kommen immer häufiger in Deutschland vor und verursachen erhebliche Schäden, die Existenzen bedrohen. „Wenn wir vermeiden wollen, dass Bund und Länder immer wieder – und im Zweifelsfall immer häufiger – für Elementarschäden aufkommen, müssen wir uns endlich zur Einführung einer solidarischen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden durchringen“, erklärte Willingmann. „Wir diskutieren das Thema seit mehr als zwei Jahren. Es gab klare Beschlüsse der Umweltministerkonferenz, der Ministerpräsidentenkonferenz und des Bundesrats. Wir hätten hier also längst weiter sein können.“
Der Minister kritisiert in diesem Zusammenhang vor allem die ablehnende Haltung des Bundesjustizministers Marco Buschmann: „Man muss im Bundesjustizministerium endlich erkennen, dass Eigenverantwortung in Versicherungsfragen gut und wichtig ist, in diesem Fall aber seit Jahren nicht funktioniert. Obwohl die Intervalle zwischen Starkregen- und Hochwasser-Ereignissen immer kürzer werden, ist weiterhin nur jedes zweite Gebäude in Deutschland gegen Elementarschäden versichert. Ich werbe deshalb sehr für eine ideologiefreie Betrachtung der Lage und gehe davon aus, dass auf Basis des Beschlussvorschlags aus Sachsen-Anhalt erneut ein klares Zeichen für die Einführung einer Versicherungspflicht von der Umweltministerkonferenz am Freitag ausgehen wird.“
Die Länder Thüringen, Saarland, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz haben bereits erklärt, dass sie dem Beschlussvorschlag aus Sachsen-Anhalt beitreten und als Mitantragssteller unterstützen.
Nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) aus dem Februar 2024 sind von rund 650.000 Adressen in Sachsen-Anhalt rund 9.000 hochwassergefährdet. Die Versicherungsquote gegen Elementarschäden liegt in Sachsen-Anhalt wie auch im Bund seit Jahren nur bei rund 50 Prozent. Aktuell ist es für Hauseigentümer insbesondere in Risikogebieten oftmals nur schwer möglich, sich gegen Elementarschäden freiwillig zu versichern. Bereits 2015 kamen verschiedene Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsprämien zum Teil die finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer übersteigen. „Deshalb ist es wichtig, dass wir eine mögliche Pflichtversicherung solidarisch ausgestalten, die Lasten gerecht auf alle verteilen“, betonte Willingmann.
Der Minister verwies in diesem Zusammenhang auf Länder wie Frankreich, die bereits seit Jahren eine Versicherungspflicht kennen: „In Frankreich haben satte 98 Prozent der Haushalte eine Elementarschadenversicherung. Durch diese hohe Quote kostet dort eine Elementarschadenversicherung durchschnittlich 26 Euro jährlich. Auch wenn die Kosten dort bis 2025 auf 41 Euro steigen sollen, sprechen wir über Beträge, die auch in Deutschland angesichts steigender Unwettergefahren und erheblicher Schäden vertretbar wären.“ Neben Frankreich setzt auch die Schweiz auf eine Pflichtversicherung. Beide Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass auf eine Bewertung der Lagerisiken von Immobilien verzichtet wird. Eine hohe Versicherungsquote sowie der Wegfall aufwändiger Prüfungen durch Versicherer ermöglichen vergleichsweise günstige Prämien.
„Was bei europäischen Nachbarn funktioniert, darf auch in Deutschland kein Tabu sein“, betonte Willingmann. „Wir sind als Staat gefordert, bestmöglichen Hochwasserschutz zu erreichen und zu finanzieren. Für Schäden braucht es einen solidarischen Versicherungsschutz statt immer neuer staatlicher Unterstützung nach Schadensfällen.“
Bund und Länder hatten bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die einen Vorschlag ausarbeiten sollte, wie eine Elementarschadenversicherung in Deutschland aussehen könnte. In dieser hatten sich auch Fachleute des Umweltministeriums Sachsen-Anhalt eingebracht. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zwischen dem Bundesjustizministerium und den Ländern ist die Arbeitsgruppe bislang jedoch ergebnislos geblieben.
Sachsen-Anhalt hatte zuletzt im vergangenen Winter mit starkem Hochwasser zu kämpfen. Größere Schäden an der Infrastruktur des Landes Sachsen-Anhalt konnten dabei nur vermieden werden, weil seit den Jahrhunderthochwassern 2002 und 2013 konsequent in den Hochwasserschutz und den Ausbau der Deichanlagen investiert wurde. Alle Deichanlagen haben gehalten. Dennoch sind mit mehr als 25 Millionen Euro landesweit erhebliche Schäden an den wasserwirtschaftlichen Anlagen entstanden.